Ich darf bewerten!

In der gewaltfreien Kommunikation gehören „Bewertungen vs. Beobachtungen“ zu den sogenannte Schlüsselunterscheidungen. Damit es nicht zu akademisch wird, ein Beispiel:

Mein Bekannter und ich hatten uns um 15 Uhr verabredet. Als ich 5 Minuten später zum Treffpunkt komme, werde ich mit bösem Blick und ärgerlicher Stimme begrüßt: „Du bist zu spät!“.

Im Wertesystem meines Bekannten ist minutengenaue Pünktlichkeit und das exakte Einhalten von getroffenen Vereinbarungen höchstes Gut. Ich selbst werde stocksauer, denn für mich sind fünf Minuten später als vereinbart absolut im Rahmen und kein Grund für so eine Begrüßung! Bei dem „…zu spät!“ habe ich eine Wertungen/Interpretation meines Verhaltens gehört. Da ich diese Wertung nicht teile, löst sie bei mir Ablehnung aus. So beginnt ein Konflikt…

Verknüpfen wir Beobachtung mit Bewertung, neigen die Menschen eher dazu, Kritik zu hören (Marshall Rosenberg).

Soll ich also nicht mehr bewerten? – Manche Anfänger in der GfK versuchen verkrampft, ihre Wertungen zu unterdrücken und üben sich in Selbstkritik, wenn es ihnen nicht gelingt.

Dabei können wir ganz entspannt akzeptieren, dass wir werten. Es geht auch nicht ohne. Jeder von uns tut es tausend Mal am Tag. Dabei bewerten wir andere Menschen und Situationen blitzschnell und unbewusst. Lange bevor der Verstand zu rattern anfängt.

Bewertungen an sich sind nicht schlecht. Wir sollten uns jedoch bewusst sein, dass wir es tun. Und uns im Hinterkopf behalten, dass unsere eigene Bewertung von dem unseres Gegenübers abweichen wird. Das fängt schon damit an, dass eine rein objektive Beobachtung nicht die Regel ist – Beobachtungen häufig subjektiv. Und die darauf aufbauenden Bewertungen werden beeinflusst durch das innere, dem Gegenüber unbekannten Wertesystem.

Was mache ich mit meinen Bewertungen?

Angenommen, ich sehe bei meinem Gegenüber Augenringe. Wenn ich daraufhin zu ihm feststelle: „Du bist müde!“, dann habe ich eine erstklassige Diagnose abgegeben – und die vorangegangene Beobachtung unterschlagen.

In der gewaltfreien Kommunikation üben wir uns darin, unsere subjektive aber wertfreie Beobachtung von unserer Bewertung zu trennen – wie wenn wir ein Ei aufschlagen und das Eigelb vom Eiweiß trennen. Und da wir uns bewusst sind, dass unsere Bewertung daneben liegen kann, formulieren wir sie als geschlossene Frage:

„Ich sehe bei Dir Augenringe. Bist Du müde?“.

So gekennzeichnet kann der Andere auf diese Bewertung Bezug nehmen, ohne dass er Kritik gehört hat. Das ermöglicht eine ganz andere Qualität in der Kommunikation.

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Autor: Martin

Ein Wandelfreund.

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